Der kleine Hexer - Weltstar Juan Sebastian Veron mischt 11FREUNDE

Normalerweise hätten wohl nur die engsten Freunde und Verwandten der Akteure an diesem brütend heißen Sommertag den Weg ins Stadion gefunden. In der Partie zwischen Asociación Coronel Brandsen und Las Lomas de Guernica ging es zwar um die Meisterschaft. Nicht jedoch in Argentiniens Belleetage, sondern in der Amateurliga von La Plata. Ein Name reichte aber aus, um die Begegnung zu einem Ereignis zu machen: Juan Sebastián Verón.
Um dem Zuschauerinteresse gerecht zu werden, hatte Brandsens Klubführung die bescheidene Anlage „Pancho Varallo“ extra um zwei provisorische Tribünen erweitert: 24 Meter lang, mit jeweils sechs Stufen. Zudem war ein VIP-Zelt sowie ein bescheidener Pressebereich errichtet worden. Es kommt eben nicht häufig vor, dass ein ehemaliger Weltstar für ein Team von Freizeitkicker aufläuft.
Eigentlich war die Karriere der „kleinen Hexe“ schon beendet
In den vergangenen knapp sechs Monaten hatte Verón die sonst so beschauliche Welt der Amateure gehörig durcheinander gebracht. Eigentlich schien die Karriere von „La Brujita“, der kleinen Hexe, wie der kahlköpfige Spielmacher in seiner Heimat gerufen wird, mit dem Abschied von Estudiantes de La Plata bereits beendet.
Mitte Juni hatte er gegen Olimpo seinen letzten Heimauftritt im Trikot des Klubs absolviert, bei dem er einst 1994 seine Profilaufbahn begonnen hatte. „Ein Spieler geht, eine Legende wird geboren“, huldigten die Estudiantes-Fans damals ihrem Idol mit einem riesigen Banner auf den Rängen. Eine Woche später war dann nach dem Auswärtsspiel bei Union de Santa Fe endgültig Schluss.
Doch auch ein Ex-Nationalspieler hat mit 37 Jahren noch Träume. Seit seiner Kindheit wollte Verón unbedingt einmal mit seinem Cousin Pedro in einer Mannschaft spielen. Als der Coup schließlich perfekt war, jubilierte man bei Brandsen: „Der Name unseres Klubs ist jetzt in aller Munde.“ Was folgte, war eine Hysterie, wie ihn der Amateurfußball in La Plata zuvor nie erlebt hatte.
Plötzlich wollte jeder beim Veron-Klub spielen
Marcelo Mazzacane, Präsident des örtlichen Verbands, sprach gar von einer „Revolution – in jeder Hinsicht“. Die Klubs konnten sich über Nacht vor Mitgliedsanträgen kaum retten. Überall standen die Kicker Schlange vor den Vereinsheimen. Alle wollten die Chance nutzen, einmal im Leben in der gleichen Liga wie Verón zu spielen. Selbst Akteure, die woanders für Geld aufliefen, boten ihre Dienste plötzlich gratis an.
Während sonst knapp hundert Zuschauer im Durchschnitt die Heimspiele von Brandsen verfolgen, drängten sich bei Verons Auftritten über 1500 Fans an den Banden. Auch die Gastmannschaften wurden zahlreicher denn je von ihrem Anhang begleitet.
Bei der finalen Partie war es nicht anders. Und als es drauf ankam, war Verón, wie es sich für einen Spieler seines Kalibers gehört, zur Stelle. In der 36. Minute setzte er zum entscheidenden Schuss an. An der rechten Strafraumecke nahm Südamerikas Fußballer des Jahres 2008 und 2009 einen Querpass volley und drosch den Ball in den Torwinkel. Sein vierter und wohl zugleich schönster Treffer im Trikot von Brandsen.
Bei der anschließenden Meisterschaftsfeier hüpfte er ebenso ausgelassen mit seinen Kollegen über den Platz, wie bei seinen vorherigen 16 weitaus prestigeträchtigeren Titelgewinnen mit internationalen Topklubs wie Sampdoria Genua, AC Parma, Lazio Rom, Manchester United, FC Chelsea und Inter Mailand.
„Veron hat alles auf den Kopf gestellt“
Nach seiner Rückkehr in die Heimat hatte der 73-fache argentinische Nationalspieler Estudiantes zu zwei nationalen Titeln (2006 und 2010) sowie 2009 zum Gewinn der Copa Libertadores, dem südamerikanischen Pendant zur Champions League, geführt.
„Ich freue mich sehr für diese Jungs, dass sie dem Druck standgehalten haben, durch mich plötzlich der große Favorit gewesen zu sein“, sagte Verón nach dem Schlusspfiff.
Mitspieler Gonzalo López, der einst die Jugendmannschaften von Racing Club de Avellaneda durchlaufen, es letztlich aber nicht den Sprung zum Profi geschafft hatte, gab zu: „Verón hat alles bei uns auf den Kopf gestellt.“
Plötzlich wurden sogar in Stein gemeißelte Fanrivalitäten beigelegt. Lautaro Tombessi, glühender Anhänger von Club de Gimnasia y Esgrima La Plata, brach bei der Ankunft der Estudiantes-Legende in Tränen aus. „Im Training und Spiel ist der soviel gelaufen, wie noch nie zuvor in seinem Leben – nur um Verón nicht zu enttäuschen“, erzählte López.
Von Starallüren keine Spur. Stets im Kluboutfit gekleidet erschien Verón zu jeder Übungseinheit. „Selbst bei strömendem Regen hat er nicht gekniffen“, sagte López anerkennend und fügte hinzu: „Er ist einfach ein sensationeller Typ.“
Doch auch ein Musterprofi wird irgendwann einmal müde. Die langen Profijahre machen sich bemerkbar. „Jetzt brauche ich erst einmal Ruhe. Mir tut alles weh“, sagte Verón nach seinem erfolgreichen Abstecher zu den Amateuren. Ganz in die Ecke schmeißen will er seine Fußballschuhe aber noch nicht. Verón schließt nicht aus, auch beim Turnier mit anderen Amateurmeistern aus ganz Argentinien das eine oder andere Mal wieder aufzulaufen. „Wenn ich körperlich fit bin, dann mache ich das vielleicht“, kündigte er an.
Jetzt also wieder Estudiantes
Ob er die Zeit dafür hat, ist eine andere Frage. Denn künftig will Verón bei Estudiantes für professionellere Strukturen sorgen. Vor wenigen Tagen wurde er beim Klub seines Herzens, für den bereits sein Vater Juan Román Verón aktiv gewesen war, als neuer Sportdirektor präsentiert. Unter anderem plant Verón ein Jugendinternat nach dem Vorbild des FC Barcelona. Der neuen Aufgabe blickt er voller Vorfreude entgegen. „Mich treibt weder die Lust nach Macht, noch das Geld. Ich möchte einfach dem Verein helfen, weiter zu wachsen“, so Verón.
Einmal mehr will der Mann mit dem markanten Kahlkopf demonstrieren, dass er die Dinge, die er anpackt, mit vollem Einsatz zu Ende bringt – ganz gleich in welcher Liga.
ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeUmr9ut8ueoKedXZ2yubHRaGtscGZufg%3D%3D